Maria Lassnig (1919 – 2014) war eine herausragende österreichische Malerin. Ihre Leidenschaft gehörte der Körperbewusstseinsmalerei. Zu Ruhm und Ehren kam sie ziemlich spät.“Mit einem Tiger schlafen“ lautet der Titel eines ihrer vielen Gemälde.
Danach hat die Regisseurin Anja Salomonowitz ihr Biopic und Portrait über Maria Lassnig, großartig von Birgit Minchimayr gespielt, genannt.
Als Vorbereitung für ihre außergewöhnliche Rolle hat sie sich in Bilder, Tagebücher und Videos der in Kärnten geborenen Künstlerin vertieft, die 1980 die erste Professur für Malerei im deutschsprachigen Raum innehatte. Akribisch hat sie alles von der von Lassnig beschriebenen oder gemalten Körperlichkeit für sich abgeleitet. „Meinen Farbsinn habe ich mir selbst erarbeiten müssen. Das hat mir später sehr geholfen“. Zu ihrer Arbeitsweise gehörte es, eine Leinwand vorzubereiten, sich davor zu setzen und auf Inspiration zu warten. Sie war kompromisslos und kämpferisch. Sie wehrte sich gegen die männliche Dominanz, besonders die im Kunstbetrieb. Als Frau muss man dreimal so viel schuften wie ein Mann, erklärt sie ihrem Künstlerkollegen Rainer. Auch die österreichische Geschichtsvergessenheit war ihr ein Dorn im Auge. Sie verzichtete total auf die Farbe braun. Es gibt Szenen, da sitzt sie in ihrem Atelierraum, nur in Unterwäsche, mal auf bequemen Stühlen, mal auf unbequemen Stühlen, konzentriert auf ihr Körperbewußtsein, denn was sie versuchte war etwas total Neues. Nicht das Sichtbare interessierte sie, sondern das Erspüren des eigenen Körpers, die inneren Empfindungen nach außen kehren und ihnen dann bestimmte Farben und Formen zu geben. Ihre Akte sollen nicht unbedingt schön sein, sondern ruhig merkwürdig verrenkt. Ihre Bilder haben eine ganz persönliche Handschrift, die nicht jeder versteht.
Es erinnert an eine Performance, denn sie sitzt nicht nur still sondern führt mit dem Körper verschiedene Stellungen aus. Erst I-sich-hineinhorchen und dann Aus-sich-herausmalen . Es kann Stunden dauern. Lassnig hat sich für ein entbehrungsreiches, einsames Leben entschieden , pflegt keine reichhaltigen sozialen Kontakte. Für sie zählt ihre Malerei und ihr junger Künstlerkollege und Liebhaber Arnulf Rainer
Was wir hier sehen ist kein gewöhnliches Portrait oder Biopic, wie man es sonst kennt. Hier werden fiktionale Episoden mit dokumentarischen Sequenzen vermischt.
Sie kann sehr harsch reagieren.“Nein, nein, so geht das nicht. Ihr habt meine Bilder viel zu tief aufgehängt.“ Sie ist total unzufrieden. Sie will genau wissen, wer die Bilder kauft und wo sie hinkommen. Es gibt ein Bild von ihr, ein nackter Mann mit einem roten Penis. Nackte Körper werden vom Galeriepersonal als Dreck bezeichnet und zugehängt. Reglos schaut sich Maria die Besucher an und beobachtet die unterschiedlichen Reaktionen. Sie will gehen. Sie fühlt sich von lauter reaktionären Menschen umgeben, die nichts von moderner Kunst verstehen.Ihr Freund Rainer unterstützt sie, steigt auf eine Leiter und beschimpft das Publikum als Kunstbanausen. Damit macht man sich natürlich keine Freunde.Bei einer Galeristin, die französisch spricht, gibt sie ihre Bilder als die von Rainer aus, denn sie wird immer als Künstlerin niedriger eingeschätzt als Rainer obwohl sie 10 Jahre älter ist. Das wurmt sie. Sie soll eine Professur annehmen. Sie willigt nur ein, wenn sie das gleiche Geld kriegen würde, wie Joseph Beys. Sie hadert mit vielem. Wenn Interessenten kommen, ist sie von einer entwaffneten Ehrlichkeit, die nicht zu ihrem Vorteil ist. Besonders dann, wenn sie sich selbst gemalt hat. Doch dann ist plötzlich der Ruhm da. Sie kann ihren Telefonhörer ruhig wieder auflegen. Die Anrufe die sie nun bekommt werden positiv sein. Endlich wird sie gesehen und gelobt. Sie schlurft durch ihr Atelier, das Telefon klingelt. Sie bekommt eine Anfrage für eine große Ausstellung. Sie lehnt ab. Ohne besonders geschminkt zu sein, gelingt es dieser großartigen Schauspielerin das Altern optisch und körperlich glaubhaft zu machen.
Am Ende dieses Filmes erleben wir die Künstlerin, dem Tode nahe, zusammen mit ihrem Künstlerkollegen, wie sie die Wolken am Himmel betrachten und dabei philosophieren über das richtige Blau für ein Bild. Ihre Stimme ist schleppender geworden.
Dieser Film ist ein wunderbares poetisches Portrait über eine begabte Künstlerin, die innerlich zerrissen ist , sich selbst im Wege steht und wenig Selbstbewusstsein hat, genau dann, wenn es verlangt wird. Dafür ist sie durch und durch ehrlich und hat einen guten Freund an ihrer Seite. Zwischendrin lässt die Regie Lassnigs außergewöhnliche, sehr persönliche Bilder für sich sprechen.
Österreich 2024; 107 Min.; Regie und Buch: Anja Salomonowitz; K: Jo Molitoris; D: Birgit Minichmayr, Lukas Watzl, Oskar Haag, Johanna Orsini, Josef Kleindienst